Geld aus kriminellen Machenschaften über Bitcoin-ATM’s zu waschen ist möglich, sagt zumindest ein Bericht aus der Amsterdamer Unterwelt. Aber wie einfach ist das wirklich?
Fünfzehn Bitcoin-ATMs gibt es in Amsterdam, schreiben die Forscher Pieter Tops und Jan Tromp in ihrem letzten Monat veröffentlichten Bericht über die Kriminalität in der Hauptstadt. Die Geräte, eine schwarze Säule mit Touchscreen, sind eine Kombination aus einem Geldautomaten und einer digitalen Wechselstube. Benutzer können Bargeld gegen Kryptowährung eintauschen und umgekehrt. Das ganze ohne den Ärger mit Kreditkarten und Online-Tauschbörsen.
Das weckt das Interesse von Kriminellen, die Drogengeld waschen wollen, sagen die Forscher. Denn sobald Bargeld in Kryptowährung umgewandelt wurde, ist das Geld sofort und nahezu anonym auf der ganzen Welt unterwegs. Justiz- und Steuerbehörden haben die Kontrolle. Die Terminals in der Hauptstadt können laut den Forschern Tops und Tromp Einzahlungen von bis zu 2,5 Millionen Euro abwickeln.
Die beiden Forscher sind nicht die ersten, die vor Kryptowährung warnen. Die niederländische Finanzmarktaufsicht und die „De Nederlandsche Bank“ nannten sie zuvor „anfällig“ für Finanz- und Wirtschaftskriminalität, Betrug, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Über das Ausmaß des Missbrauchs liegen allerdings kaum Zahlen vor. Tops und Tromp erkennen daher auch an, dass sie kein genaues Wissen haben, wie viel Geld beseitigt wird und ob es sich überhaupt dabei um Drogengeld handelt. Wie real ist dieses Problem demnach überhaupt?
Bargeld gegen Krypto
Tops und Tromp geben an, dass die Niederlande dreißig dieser Terminals haben, die Hälfte davon in der Hauptstadt. Laut den Forschern befindet sich am Flughafen Schiphol ein Terminal, das jedoch im Frühjahr entfernt wurde, weil die Anzahl der Transaktionen enttäuschend war. NRC.nl recherchierte schließlich neun Automaten in Amsterdam und sprach mit vier von deren Betreibern. Ihrer Meinung nach gibt es in der Dimension, die durch die Forscher angeführt wird, keinerlei Fragen des Missbrauchs. Betreiber Aschwin van Nassauw hat noch keine unangenehmen Typen mit Millionen in der Tasche am Automaten in seinem Zigarrenladen in Amsterdam-Zuidoost gesehen. „Wenn sie mit Tausenden von Euro vor der Tür gestanden hätten, hätte ich dieses Ding vor langer Zeit beseitigt.“
Die Amsterdamer ATM‘s werden alle von General Bytes hergestellt, dem Weltmarktführer mit rund 2.800 verkauften Einheiten. Die Automaten in Amsterdam befinden sich neben denen im Zigarrenlager, in einem Irish Pub, einem Computergeschäft, einem Spielwarengeschäft, einem Saftgeschäft, einem Dönergeschäft und in zwei Filialen von Lucky Jacks Casino. Das günstigste Modell von General Bytes kostet weniger als 7.000 Euro. Jeder kann eines kaufen und es mit entsprechendem technischem Wissen betreiben. Van Nassauw übernimmt die Geschäftsführung selbst, „rein aus Hobby“. Einen Ansturm kennt er bisher nicht, sagt er. Anleger, die auf Wechselkursänderungen der Kryptowährung spekulieren, bleiben aus, da der Bitcoin-Preis seit einiger Zeit relativ stabil bleibt. Die Betreiber verdienen ihr Geld, indem sie Provisionen berechnen – je nach gekaufter Kryptowährung zwischen 4 und 10 Prozent. Unternehmen, die ATM‘s für Aufsteller anbieten, beteiligen sich an diesem Gewinn.
Schwachsinn
Der Betrag von 2,5 Millionen Euro stößt vor allem bei Betreibern auf allgemeines Unverständnis. Nur wenn man die maximale Kapazität aller Automaten in Amsterdam addieren würde, ist eine annähernde Summe in Sicht, sagt Martijn Wismeijer, Marketing Manager des Automatenherstellers General Bytes. Außerdem bräuchte man für die Geldwäsche außerordentlich viel Geduld, denn die Scheine müssen einzeln in den ATM eingegeben werden und der Lademechanismus kann auch manchmal versagen, sagt Christopher Felix, der in einem Dönerladen auf Zeeburgereiland ein Bitcoin-ATM betreibt. „Ich möchte gern die Forschungsdaten sehen, denn wie die meisten Betreiber ergreifen wir Maßnahmen, um kriminelle Handlungen zu verhindern.“
Die Automaten von General Bytes verfügen über allerlei Vorrichtungen zur Bekämpfung von Missbrauch. Betreiber können diese nach eigenem Ermessen verwenden. Der Fingerabdruckscanner sei in den Niederlanden nicht so beliebt, dafür die Bestätigung per SMS hingegen, so Wismeijer. Alle Betreiber, die mit NRC.nl gesprochen haben, schränken außerdem den Geldbetrag, der anonym eingetauscht werden kann, ein. Van Nassauw möchte zum Beispiel die Papiere von jemanden, für Transaktionen von mehr als 1.000 Euro, sehen. „Das ist ungefähr zehn Mal passiert“, sagt er. Der Bitcoin-ATM scannt dann die Vorder- und Rückseite eines Ausweisdokuments und macht ein Foto des Kunden, um die Identität zu bestätigen. Dies kann dann von der Maschine anhand von Untersuchungslisten im In- und Ausland überprüft werden.
Oft gilt auch ein Höchstbetrag. An den vier von der Bitcoin-Gesellschaft BGST verwalteten Terminals gelten für registrierte Kunden maximal 10.000 Euro pro Tag. „Wer kein Limit hat, fördert damit Geldwäsche“, sagt Betreiber Steven Volp. Wismeijer weist auch darauf hin, dass die ATM‘s Maßnahmen gegen das sogenannte „Smurfing“ ergreifen können, bei dem eine Transaktion in kleinere Teile aufgeteilt wird, um Mittelsmänner zu benutzen. Kurant, ein österreichisches Unternehmen mit einem Terminal im Zentrum von Amsterdam, verwendet das niedrigste registrierungspflichtige Transaktionslimit. „Ab 250 Euro ist eine Registrierung mit einem amtlichen Lichtbilddokument obligatorisch“, sagt Geschäftsführer Stefan Grill, „obwohl klare Regeln, die eine solch strikte Untergrenze erfordern, bisher nicht existieren.“
Die Betreiber möchten keine Auskunft geben, wie viel Geld tatsächlich durch die Geräte fließt. Sie befürchten, dass der Inhalt der Maschinen zum Ziel von Kriminellen werden könnte. Felix sagt, dass seine Maschine aufgrund des stabilen Kurses manchmal für drei Tage stillsteht. Eine durchschnittliche Transaktion liegt zwischen 400 und 500 Euro, schätzt er. Am Kurant-Automaten im House of Nakamoto in der Innenstadt sind das rund 500 Euro, sagt Grill.
„Zwielichtiges Scheißding“
Auf die Frage nach der Evidenz der 2,5 Millionen Euro bleibt Forscher Jan Tromp bisher noch eine Antwort schuldig. Er verriet am Telefon, dass ihm der Betrag von einer unbestätigten Quelle bei der Polizei mitgeteilt worden wäre, aber nicht überprüft wurde. Die Höhe des Betrags ändere jedoch nichts an dem Problem, sagt Tromp, dass er Bitcoin ein „zwielichtiges Scheißding“ nennt. „Was wir wissen ist, dass es sehr viel Aktivität gibt und dass wir absolut keine Kontrolle darüber haben.“
Den Betreibern fällt auch das Interesse von Kriminellen auf. Sie erhalten regelmäßig Anrufe oder Nachrichten, in denen sie gefragt werden, ob sie die Beschränkungen lockern könnten. Felix, Betreiber des Automaten in Zeeburgereiland, wurde in der Vergangenheit gebeten, einen völlig anonymen Vertrag abzuschließen, für den er eine Provision von 20 Prozent erhalten hätte können. Er reagierte nicht darauf und versuchte die Situation folgendermaßen zu erklären. Felix: „Es gibt ein kriminelles Element in der Kryptowährung, aber ich denke nicht, dass es an den ATM‘s liegt.“
Der Umtausch großer Geldbeträge gegen Kryptowährung ist über Websites wie localbitcoins.com viel einfacher, sagen mehrere Betreiber. Über solche Plattformen können die Nutzer direkt Kryptowährungen gegen Bargeld tauschen, ganz ohne Kameras und die weiteren Beschränkungen von ATM’s.
Betreiber können jedoch einen Missbrauch von Bitcoin-ATM‘s nicht ausschließen. Die Aufsicht ist bisher nicht wasserdicht, räumt Felix ein. „Aber es gibt kein Finanzsystem auf der Welt, das Geldwäsche vollständig verhindern kann.“ Auch Steven Volp von BGST glaubt, dass zwei Gesichtspunkte angeführt werden müssen. „Ich kann nicht ausschließen, dass die Leute auch Schwarzgeld bei uns einzahlen. Das passiert aber auch bei den großen Banken.“
Meldepflicht
Volp hatte versucht, verdächtige Transaktionen der Financial Intelligence Unit (FIU) der Nationalen Polizei zu melden. Einige Unternehmen müssen auch bestimmte Transaktionen melden, z. B. große Mengen an Bargeld. Volp wurde allerdings von der FIU aufgefordert, seine Meldungen komplett einzustellen, weil diese sinnlos seien. Bitcoin-Unternehmen sind nämlich nicht zur Benachrichtigung verpflichtet.
Diese mangelnde Aufsicht endet am 10. Januar, wenn die ATM‘s – und andere Kryptoanbieter – der Aufsicht der ‚De Nederlandsche Bank (DNB)‘ unterstellt werden und sich ordnungsgemäß registrieren müssen. Krypto-Unternehmen sind von nun an ebenfalls einer Benachrichtigungspflicht unterworfen. Die FIU freut sich über den Ausbau der Aufsicht. „Der Krypto-Sektor ist komplex und es gibt verschiedene Arten von Anbietern, die wir nicht alle kriminalisieren möchten, die aber schon aufgrund der Sache mit Geldwäscherisiken verbunden sind“, sagt ein Sprecher. Er sagt auch, dass er mit den Berichten von Volp „nicht vertraut“ sei.
Die Betreiber der ATM‘s begrüßen ebenfalls die Regelung, obwohl Van Nassauw befürchtet, dass er die Verwaltung seines Terminals aufgrund von Ressourcen abgeben muss. Stefan Grill von Kurant aus Österreich hofft, dass die Regeln gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, damit Betreiber, die weniger Anforderungen stellen, ihren Wettbewerbsvorteil verlieren. „Das kommt schon“, sagt Volp, „und wird die Cowboys vom Markt vertreiben.“